Nachtfotografie: Lange Belichtung, großer Effekt

Von Sabine Grossbauer - Mi, 18.07.2018 - 13:53

MIt unseren Tipps zur Nachtfotografie können auch Sie die tollen Lichteffekte bei Nacht mit der Kamera festhalten. Bild: © Sabine Grossbauer

Als Nachtfotografie oder Nachtaufnahmen bezeichnet man fotografische Aufnahmen, die zum Beispiel in der Dämmerung, zur blauen Stunde und Tageszeiten mit spärlichen Lichtverhältnissen erstellt werden. Die Nachtfotografie bietet ihre ganz eigenen Herausforderungen: Von Langzeitbelichtungen, über Rauschunterdrückung und der Arbeit mit einem Stativ, müssen Sie einige Dinge beachten für gelungene Aufnahmen.

Für Fotografen und Fotografinnen bricht mit der Nacht eine spannende Zeit herein, die es vor allem unerfahrenen Fotografen schwer macht, scharfe Nachtaufnahmen zu schießen. Die gute Nachricht: So schwierig ist es gar nicht, die tollen Lichteffekte bei Nacht mit der Kamera festzuhalten. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte zum Thema Nachtfotografie – von den richtigen Einstellungen der Verschlusszeit, der Blendenöffnung über die Aufnahmetechnik bis hin zu spannenden Kulissen und wertvollen Profi-Tipps.

Welche Ausrüstung und welche Technik brauche ich für die Nachtfotografie?

Der stabile Untergrund

Nächtliche Lichtverhältnisse erfordern in der Regel eine relativ lange Belichtungszeit. Unter solchen Bedingungen ist es kaum möglich, die Kamera ruhig zu halten – verwackelte Bilder sind das Ergebnis. Deshalb ist das Erste, was Sie für die Nachtfotografie brauchen, ein stabiler Untergrund. Das kann ganz klassisch ein Stativ sein oder ein Bohnensack. Wer nur mit dem Allernötigsten unterwegs ist, kann seine Kamera einfach auf den Boden, auf den Fotorucksack, eine steinerne Brüstung o. Ä. stellen.

Das Objektiv

Um Lichteffekte optimal einzufangen und Verwacklungen zu verhindern, eignen sich vor allem Objektive mit kleineren Brennweiten von ca. 10–70mm (auf APS-C gerechnet). Denn auch vom Stativ aus kann beispielsweise Seitenwind oder ein zu schwacher Stativkopf das Bild verwackeln – Probleme, die mit vergleichsweise kompakten und kleinen Objektiven kaum vorkommen.

Tipp für Langzeitaufnahmen:

Um auf eine Verschlusszeit von über 30 Sekunden zu kommen, brauchen Sie bei den meisten Kameramodellen einen Fernauslöser. Hier gibt es sowohl kabellose als auch kabelgebundene Lösungen – von ganz einfachen Auslöse-Knöpfen bis hin zu programmierbaren Fernbedienungen. Für viele neuere Kameramodelle können Sie sich eine Fernauslöser-App aufs Handy laden.

Lange Belichtungszeiten sollten sie nur mit Stativ einsetzen. Bild: © Sabine Grossbauer

Die Belichtung für Nachtaufnahmen – Alles eine Frage der Einstellung

Ohne Stativ

Bei statischen Motiven wie Landschaften oder beleuchteten Gebäuden können Sie mit dem Zeitautomatik-Programm der Kamera (A bzw. Av) durchaus gute Nachtaufnahmen erzielen. Wenn sich Ihr Motiv allerdings bewegt, wie zum Beispiel ein Feuerwerk, Autoscheinwerfer von fahrenden Autos oder Lightpainting, wird die Nachtfotografie schon anspruchsvoller. Wechseln Sie in solchen Fällen besser in den manuellen Modus, denn die Kamera kann nicht im Voraus wissen, wie viel Licht auf den Bildsensor fallen wird.

Mit Stativ

Beim Fotografieren mit Stativ kann die Belichtungszeit auch länger sein, und Sie können so die bestmögliche Bildqualität von normalerweise 100 bzw. 50 ISO einstellen. Das reduziert das Bildrauschen und ermöglicht in der Bildbearbeitung mehr Spielraum, zum Beispiel um dunkle Bereiche auf zu hellen. Schauen Sie sich direkt das Histogramm im Menu Ihrer Kamera an. So gehen Sie sicher, dass Ihr Bild weder über- noch unterbelichtet ist.  Trotzdem kann das Drücken des Auslöseknopfes bei der Kamera eine kleine Erschütterung bewirken. Benutzen Sie daher lieber den 2-Sekunden-Selbstauslöser. Noch besser ist ein Fernauslöser, der ganz ohne Auslöseverzögerung arbeitet. Gerade bei der Feuerwerks-Fotografie, die exaktes Timing erfordert, ist der Fernauslöser besonders nützlich.

Lichteffekt-Tipp:

Um bei direkten Lichtquellen wie Straßenlampen o. Ä. die allseits beliebten Blendensterne aufs Bild zu bannen, empfiehlt sich, je nach verwendetem Objektiv, die Blende zwischen f8 und f32 einzustellen. Bei offener Blende erscheinen die Lichtquellen nämlich nur als diffus glühende Kreise.

In der Nacht sind einzigartige Effekte möglich - ohne Bildbearbeitung. Bild: © Sabine Grossbauer

Fokussieren in der Nacht: Wenn der Autofokus nichts findet

Bei schlechtem Licht oder zu kleinen Lichtquellen tritt immer wieder ein Problem auf: Der Autofokus findet einfach keinen Punkt, den er fokussieren kann. Jetzt ist der manuelle Fokus gefragt – auch wenn Sie selbst in der Dunkelheit natürlich nicht allzu viel sehen. Aber es gibt einen Trick: Aktivieren Sie Liveview und zoomen Sie an der Stelle in die Bildvorschau hinein, wo die Schärfe sitzen soll. Jetzt ist es ganz leicht, mit dem Fokusring die perfekte Schärfe einzustellen.

Langweilig am Tag, spannend in der Nacht: Interessante Kulissen und Location-Tipps für die Nachtfotografie

Gerade nachts entfalten viele Orte erst ihr volles fotografisches Potenzial. Was bei Tageslicht vielleicht nur mäßig interessant wirkt, gewinnt in der Dunkelheit enorm an Fotogenität. Ein klassisches Motiv für die Nachtfotografie mit Langzeitbelichtung sind zum Beispiel stark befahrene Straßen mit ihren vorbeiziehenden Autos. Durch die lange Belichtungszeit verschmelzen die Scheinwerferlichter zu langen, bunt leuchtenden Linien. Je kurvenreicher und breiter die Straße, desto besser werden die Nachtaufnahmen. Die berühmten Lichtspuren entstehen, wenn Sie mit Blende, Belichtungszeit und ISO-Wert spielen. Achten Sie auf die Anzahl der Autos und deren Geschwindigkeit, damit Ihre Lichtspuren wie gewünscht ausfallen.

Architektur

Städte und ihre Architektur sind grundsätzlich ausgezeichnete Nachtmotive: Straßenlaternen sorgen für ausreichend Umgebungslicht mit schönen Effekten und markante Gebäude sind oft von außen beleuchtet. Auch mit vorbei eilenden Passanten können Sie interessante Nachtaufnahmen erzielen, denn durch eine mittellange Belichtungszeit sind sie nur als vage Schatten erkennbar – bei mehreren Sekunden Belichtung verschwinden sie irgendwann ganz. Lesen Sie unseren ausführlichen Guide für Architektur Fotografie, wenn Sie sich noch viel mehr Anregungen holen möchten!

Architektur ist ein beliebtes Motiv für Nachtfotos. Bild: © Sabine Grossbauer

Landschaft

Doch auch für Landschaftsfotografen gibt es in der Nacht viele spannende Motive: Gerade im Mondlicht wird so manche Location plötzlich in einem ganz ungewohnten Winkel beleuchtet – oder Dörfer spiegeln sich reizvoll in einem See. Gerade auf Wasseroberflächen zaubern Sie bei wenig Licht tolle Effekte ins Bild: Durch die lange Belichtungszeit glättet sich die Wasseroberfläche und selbst der unruhigste See wird spiegelglatt.

Ein Nachthimmel in einer Landschaftsaufnahme © Sabine Grossbauer

Himmel

Natürlich ist der nächtliche Himmel an sich ein lohnendes Motiv: Glitzernde Sterne bei Neumond, Polarlichter oder Feuerwerk lassen sich spektakulär in Szene setzen. 

Tipp: Achten Sie auf einen geeigneten Vordergrund wie Skylines oder Bergketten, die ruhig auch nur als Silhouette erkennbar sein dürfen.

Das Licht: Ganz unterschiedlich, aber immer schön

Gerade die „blaue Stunde“ nach Sonnenuntergang, die noch etwas Restlicht am Himmel hinterlässt, ist für Nachtfotografen reizvoll. In urbaner Umgebung gibt es allerdings ein Problem: Mehrere verschiedene Lichtquellen sind mit im Bild – Neonröhren, Straßenbeleuchtung, LED-Leuchtschrift u. v. m.; sie haben ganz unterschiedliche Farbtemperaturen. Neonlicht wirkt oft grünlich, das Rest-Tageslicht dagegen rötlich.

Schon zur "Blauen Stunde" können eindrucksvolle Nachtaufnahmen gelingen. © Sabine Grossbauer

Manueller Weißabgleich 

Nehmen Sie den Weißabgleich deshalb am besten manuell vor. So verhindern Sie, dass sich mit dem schwindenden Tageslicht und wechselnden Bildausschnitten nicht auch der Farbton in Ihren Fotos ständig ändert.  Gut zu wissen: Beim Fotografieren im RAW-Format können Sie den Weißabgleich in der Nachbearbeitung verlustfrei ändern.

Eigene Lichtquelle

Wenn Sie nachts in der Landschaft oder an wenig beleuchteten Locations fotografieren wollen, benötigen Sie entweder extrem lange Belichtungszeiten – oder Sie nehmen Ihre Lichtquellen einfach selbst mit. Gerade unbeleuchtete Elemente im Vordergrund, wie Bäume, Hütten oder Personen, können Sie sehr effektvoll mit der Taschenlampe oder einem externen Blitz aufhellen.

Tipp für Experimentierfreudige:

Lightpainting, das Malen mit Licht, auch LAPP (light art performance photography) genannt, erfreut sich seit ein paar Jahren immer größerer Beliebtheit: Mit bunten LED-Leisten, Fackeln und selbstgebastelten Leuchtobjekten können Sie während einer Langzeitbelichtung faszinierende Muster ins Bild "malen". Im Prinzip reicht schon eine einfache Taschenlampe und etwas Fantasie, um loszulegen.

Wenn Sie diese Tipps beachten, haben Sie sich schon einen brauchbaren Workflow erarbeitet. Dieser Standardablauf kann sehr nützlich sein, da gerade im städtischen Umfeld oft ähnliche Lichtsituationen herrschen für Langzeitaufnahmen in der Nacht. 

Über die Autorin Sabine Grossbauer ist freiberufliche Webdesignerin, Fotografin, Leiterin für Fotoreisen und Coach in den Bereichen Architekturfotografie, Tabletop- und Foodfotografie, Landschafts- und Makrofotografie, experimentelle und abstrakte Fotografie & Lightpainting. 

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